J.W. v. Goethe zur Freistellung des Kölner Doms

Aus dem Artikel "Köln ist architektonisch gescheitert", Die Welt, 27.12.2016:

[...] Johann Wolfgang von Goethe, der von Architektur mehr verstand als die meisten Architekten und Planer seiner und unserer Zeit, dreht sich im Grabe herum. Mit seinem Essay über das Straßburger Münster von 1773 hatte er schon als junger Mann in der deutschen Kulturdebatte Epoche gemacht und seinen Zeitgenossen einen völlig neuen Blick auf die Gotik eröffnet. Schon damit hatte er sich den Anspruch erworben, in der Jahrhundertdiskussion über den Weiterbau des Kölner Doms gehört zu werden. Bis in seine letzten Lebensjahre begleitete und förderte er die Pläne mit immer neuen Stellungnahmen. Viel weniger ist bekannt, dass er sich fast genauso beharrlich mit der Umgebungsbebauung des Doms beschäftigt hatte. Allein, seine Kommentare dazu blieben ungehört. Auch jetzt.
Das Museums-Duo ist funktional – aber es verbaut den Blick auf den Dom
Immerhin: Sie lassen den Dom in Köln

Dabei war Goethes Votum von unmissverständlicher Klarheit und Logik. Der Dom müsse freigestellt werden. Lobte er hier die Kölner, „eine große Summe zum Ankauf von Häusern“ bereitgestellt zu haben, „welche niedergerissen wurden, um dem Gebäude einen weitern, offenern Zugang zu verschaffen“, so begeisterte er sich dort für bildliche Darstellungen, die den Dom auf einem freien Platz zeigten, „indem die Darsteller jene Reihe Häuser, welche niemals hätte gebaut werden sollen, mit gutem Sinne weggelassen“. Ja, der schwärmerische Entdecker der Gotik scheute sich nicht, sogar Pläne „zur Niederlegung einer neben dem Dom stehenden verfallenen Kirche“ zu bejahen, weil dadurch „eine freiere Ansicht gerade des vollendeten Theils jenes Denkmals gewonnen wird“. [...]

 

Leider können die Verantwortlichen in Worms diese bestechende Logik nicht nachvollziehen und stellen andere Interessen über die der Bevölkerung, welche den Dom - das Wahrzeichen der Stadt - einfach gerne weiterhin gesehen hätte.